- Es gibt immer etwas zu tun!
- Busyness statt Business
- Der Teufelskreis »Zeit ist Geld«
- Arbeitszeit vs. Freizeit – Nichtstun lohnt sich nicht
- Neue Arbeit nach alten Maßstäben: Nur die Leistung zählt
- Es ist Zeit für ein Umdenken
- Wir brauchen eine neue Wertschätzung
- Selbstbestimmt arbeiten mit »Slow Work«
- Zeit ist mehr als Geld und Leistung
Die Schnelligkeit und Komplexität von Digitalisierung und technologischem Wandel machen auch vor uns selbstständigen Unternehmer:innen keinen Halt. Mehr und mehr Aufgaben türmen sich auf unseren Schreibtischen und immer neue technische Herausforderungen wollen gelöst werden. Eigene Website, Social Media, Podcast, skalierbare Produkte – und dann sind da ja auch noch die unzähligen E‑Mails, die auf eine Reaktion warten. Und schon klingelt wieder das Telefon!
Als wenn das alles nicht schon stressig genug sei, fordern uns unsere Kund:innen auch noch gerne regelmäßig zu neuen Höchstleistungen heraus: »Haben Sie nächste Woche noch kurzfristig Kapazitäten frei? … Ach, wenn Sie so fragen – lieber heute als morgen! … Könnten Sie nicht vielleicht noch am Freitagnachmittag … ?«
Puh, jetzt nur noch schnell XYZ erledigen, dann ist endlich Zeit für eine Auszeit!
Es gibt immer etwas zu tun!
»Ein Tag, an dem nicht viel erledigt wird, ist ein unproduktiver Tag!«
Mal ehrlich, hast du dich auch schon einmal bei diesem Gedanken ertappt?
Eine Zeit lang klappt es je nach Energielevel und Motivation ganz gut, sich durchzubeißen und sich jeden Tag zu neuen Bestleistungen zu pushen: Wieder einen Job geschafft!
Aber nach Wochen voller anstrengender To-dos setzen sich meiner Erfahrung nach irgendwann doch Erschöpfung und das frustrierende Gefühl durch, niemals fertig zu werden. Der Aufgabenberg wächst und wächst und es ist einfach kein Ende ist in Sicht.
Was bleibt, sind Unzufriedenheit und ein sorgenvoller Blick in Richtung Zukunft: Werde ich in ein paar Jahren noch genügend Energie haben, um mit all dem mitzuhalten?
Busyness statt Business
Die tägliche Betriebsamkeit und Rastlosigkeit empfinden viele Menschen in der heutigen Zeit als selbstverständlich und notwendig, um erfolgreich zu sein.
Denn wer pausenlos beschäftigt und »busy« ist, erfährt durch unsere leistungsorientierte Gesellschaft eine hohe Anerkennung. So haben wir verinnerlicht, dass ein hoher Workload ein Garant für Erfolg sein muss.
Noch ein weiterer Job diese Woche? Kein Problem, das kriege ich noch unter! Herrlich, ich bin ja so gefragt!
Das Problem daran: Wenn es immer nur darum geht, was und wie viel wir leisten, dann definieren wir unseren menschlicher Wert irgendwann bloß noch über unseren Output.
Falls wir also irgendwann einmal nicht mehr arbeiten können oder wollen, kann es passieren, dass wir uns wertlos und ungenügend fühlen.
Der Mix aus unterschwelligem Leistungsdruck und der Angst, als Unternehmer:in nicht genug zu sein und zu machen, führt zu einer ungesunden dauerhaften Geschäftigkeit, die viele Selbstständige an ihre körperlichen und psychischen Grenzen bringt.
Geht es dir auch manchmal so, dass du dich ausgelaugt fühlst, weil du vor lauter Projekten und Timings nicht mehr weißt, wo dir der Kopf steht? Dass du dir endlich eine richtige Auszeit wünschst – aber du findest einfach keine Zeit dafür?
Bereits nach einigen Jahren als Selbstständige habe ich gemerkt, dass diese anstrengende Lebensweise mich überfordert und der Druck, immer mehr leisten zu müssen an meinen Kräften zehrt. Ich traf für mich die Entscheidung: so kann und darf es für mich und mein Business nicht weitergehen. Ich möchte einen anderen Weg gehen.
Man sollte nie so viel zu tun haben, dass man zum Nachdenken keine Zeit mehr hat.
⏤ Georg Christoph Lichtenberg
Der Teufelskreis »Zeit ist Geld«
Um besser verstehen zu können, was unsere heutige Gesellschaft antreibt und welche Denkmuster unserem Arbeiten zugrunde liegen, habe ich mir einmal den bekannten Leitsatz »Zeit ist Geld« genauer angeschaut:
Die Redewendung Zeit ist Geld geht bis auf die Antike zurück und wurde 1748 durch Benjamin Franklin und sein Buch Ratschläge für junge Kaufleute populär.
Mit Beginn der die Industrialisierung Ende des 18. Jahrhunderts in England wurde die bis dato gemächlich verstreichende Zeit mit einem Mal an den Anspruch der Effizienz gekoppelt. Leistungsfähige schnelle Maschinen ersetzten die zu langsam gewordene Handarbeit und die menschliche Arbeitskraft verlor an Bedeutung.
Die Fabriken produzierten günstig Massenware, die sie mit hohem Profit verkauften. In kurzer Zeit immer mehr zu produzieren, um immer höhere Gewinne abzuschöpfen wurde zum Hebel für Wachstum und zum Schlüssel für Wohlstand.
Die Menschen lernten schon früh: Zeit ist Geld und Mangelware. Wer Wohlstand will, der muss Zeit »investieren« – und mehr arbeiten.
Der finanzielle Wohlstand brachte jedoch keinen Zeitwohlstand mit sich – ganz im Gegenteil. Durch die limitierte Ressource Zeit war auch der mögliche Gewinn begrenzt und es entstand ein Mangeldenken, das viele Menschen bis heute verinnerlicht haben: Wir haben nicht genug Zeit.
Das Paradoxe daran: Durch den Einsatz von effizienten Maschinen hatten die Menschen nun zwar Zeit gewonnen, diese füllten sie jedoch umgehend mit neuen Beschäftigungen.
Es gibt schließlich noch so viel mehr zu tun!
Arbeitszeit vs. Freizeit – Nichtstun lohnt sich nicht
Mit den schnellen Abläufen in den Fabriken veränderte sich jedoch nicht bloß die menschliche Wahrnehmung der Zeit, sondern auch der Wert der Zeit.
Als die Menschen ihren Lebensunterhalt noch überwiegend in der Landwirtschaft verdienten, bestimmten lediglich die Jahreszeiten und die damit verbundenen Aufgaben den Tagesrhythmus.
Mit der Industrialisierung gaben mit einem Mal die Maschinen den Takt an: Sie zerlegten den Tag in Schichten, in Arbeitszeit und Freizeit. Es entstand der Gegensatz zwischen Tun (Produktivität) und Nichtstun (unproduktive Arbeitspause).
Der produktive Zeiteinsatz der Arbeitenden wurde gemessen und mit Geld vergütet. Der übrige Tag war freie Zeit, die keinen finanziellen Gegenwert hatte. So verankerte sich in den Köpfen die Überzeugung, dass unproduktive Zeit nichts wert sei.
Nichtstun lohnt sich also nicht? Was für eine unglückliche Abwertung einer so wichtigen Erholungspause für uns!
Bis heute – über 270 Jahre später – lassen viele Menschen ihr Leben und Arbeiten weiterhin von dem fragwürdigen Werteverständnis »Zeit ist Geld« bestimmen. Eigentlich verrückt, oder? Damit gehört das geflügelte Wort zu den beständigsten Glaubenssätzen der Welt.
Neue Arbeit nach alten Maßstäben: Nur die Leistung zählt
Und noch in einem anderen Zusammenhang wird dir das Wert-Gegenwert-Prinzip bekannt vorkommen:
Zeit-gegen-Geld bildet auch heute noch die Grundlage eines klassischen Arbeitsverhältnisses und ist wahrscheinlich das meistverbreitete Honorarmodell unter Selbstständigen.
Die Einkommensmöglichkeiten sind durch dieses Modell, das auch als Zeit-gegen-Geld-Falle bezeichnet wird, jedoch von vornherein gedeckelt – denn auch hier gilt wieder das Leistungsprinzip: Nur wer mehr arbeitet, verdient auch mehr.
Auch wenn der Trend »New Work« interessante Denkanstöße für eine moderne und flexible Arbeitswelt liefert, so bleibt doch der gesellschaftliche Maßstab für Erfolg vorerst derselbe:
Produktivität, Effizienz und Leistungsbereitschaft sind die Tugenden, die jede:r Arbeitende verinnerlicht hat. Es hält sich weiterhin hartnäckig die Überzeugung: Allein wer leistet, ist etwas wert.
Wie gut geölte Maschinen sollen wir funktionieren, uns ständig an wechselnde Bedingungen anpassen und dabei durch Selbstoptimierung und eigenverantwortliches Zeitmanagement noch effizienter werden und unsere (digitalen) Kompetenzen ausbauen und verbessern. Selbstverständlich alles zack, zack und ohne Müdigkeit vorzutäuschen, denn Zeit ist Geld!
Obwohl die Technik unser heutiges Arbeiten erleichtern und unterstützen soll, in dem sie uns Aufgaben abnimmt, scheint sie genau das Gegenteil zu bewirken: Die Aufgaben werden immer mehr und die Anforderungen wachsen.
Geht das lediglich mir so oder klingt das alles auch für dich total sinnlos und nach einer Sackgasse für unsere Gesellschaft?
Ist »New Work« also wirklich ein neues oder bloß ein effizienteres Arbeiten?
Es ist Zeit für ein Umdenken
Aus dem Zeit-ist-Geld-Dilemma scheint es bis heute keinen vernünftigen Ausweg zu geben, denn noch immer treiben wir uns gegenseitig zu immer mehr Produktivität und Schnelligkeit an – auf Kosten unserer mentalen und körperlichen Gesundheit.
Warum sind wir in unserem Denken so festgefahren und trauen uns nicht, endlich etwas Neues auszuprobieren?
Wir müssen lernen, anders mit unserer Zeit umzugehen.
Klar, um von unserem Business überhaupt leben zu können, müssen wir Zeit einsetzen und auch unsere Fähigkeiten produktiv einbringen. Aber genau so entscheidend ist es, zum Ausgleich Zeiträume für Entspannung und Zerstreuung zu schaffen, in denen wir einfach nur da sind und nichts tun. Denn Leistung und Arbeit sind nur ein kleiner Teil unseres Lebens und definieren nicht unseren Selbstwert.
Vielleicht sollten wir damit beginnen, eine andere Perspektive einzunehmen, um neue Antworten und Lösungen zu finden:
Wie viel unserer Lebens-Zeit wollen wir in Arbeit investieren? Was ist uns unsere Lebenszeit »wert«? Ist uns Geld als Gegenwert für unsere Lebenszeit genug?
Wir brauchen eine neue Wertschätzung
Zeit ist und bleibt ein wertvolles und begrenztes Gut, denn der Tag wird trotz der menschlichen Arbeitswut nicht länger werden.
Den weit verbreiteten Glaubenssätzen »Zeit ist Geld« und »Nur wer leistet, ist etwas wert«, die auch wir Unternehmer:innen verinnerlicht haben, liegt jedoch ein Denkfehler zugrunde:
Der Irrglaube, dass Quantität (Mehr) entscheidender sei, als Qualität (Güte).
Denn ein Mehr erzeugt stets auch mehr Anstrengung und höhere Erwartungen. Wenn wir das Gefühl haben, nicht mithalten zu können, kann aus viel schnell ein Zuviel werden, das uns überfordert und unter Druck setzt.
Stattdessen brauchen wir ein neues minimalistisches Mindset, das die Qualität wieder in den Fokus rückt: Die Denkweise, weniger zu tun, aber es dafür besser zu tun.
Wie könnte ein Ausweg aus dem ewigen Wettlauf mit der Zeit und der dauerhaften Belastung im Daily Business aussehen? Und wie können wir wieder ein neues, ein gesundes Verhältnis zur Zeit entwickeln?
Wir benötigen ein neues Bewusstsein für Arbeit, bei dem Wertschätzung im Vordergrund steht: Wertschätzung gegenüber unseren Mitmenschen und unserer Umwelt – aber vor allem gegenüber uns selbst, unserer Lebenszeit und unseren individuellen Bedürfnissen.
Denn das, was dich ausmacht und was du an Ressourcen zur Verfügung hast, ist dein größter und wertvollster Schatz.
Es ist an dir, deine einzigartigen Reichtümer zu hüten und zu entscheiden, wie viel du davon in dein Business einbringen kannst und willst.
Um in dieser Welt zu bestehen, braucht man einen Sinn für die Realität. Doch mindestens genauso braucht man einen guten Möglichkeitssinn.
⏤ Rebekka Reinhard
Selbstbestimmt arbeiten mit »Slow Work«
Selbstbestimmung schließt auch Selbstfürsorge mit ein. Gerade weil wir Solopreneur:innen die alleinige Verantwortung für uns tragen, sind klare Regeln und Grenzen hilfreich, die uns vor einem Zuviel bewahren.
Kund:innen und Aufträge kommen und gehen mit der Zeit – mal erzielen wir größere Erfolge, mal kleinere. Diesem stetigen Auf und Ab sind wir gewachsen.
Die größte Aufgabe als Unternehmer:in ist jedoch eine Lebensaufgabe: auf Körper und Geist achtzugeben und unser Wissen, unsere Fähigkeiten und unsere Gesundheit für die Zukunft zu bewahren. Dazu müssen wir lernen, wertschätzender mit unserer Zeit umzugehen .
Indem wir unsere individuelle Werte und Bedürfnisse erkennen, können wir selbstbestimmt Rahmenbedingungen schaffen, die zu unserem Lebensrhythmus und unseren Vorlieben passen. Auf diese Weise entsteht auch neuer Raum für Wachstum und persönliche Weiterentwicklung.
Meiner Meinung nach braucht unsere Arbeitswelt nicht noch mehr Unruhe, Hektik, Stress und Leistungsdruck. Durch die zunehmende Geschwindigkeit kann der Mensch nur verlieren, denn mit der unbegrenzten Produktivität der Maschinen Schritt zu halten ist schlichtweg unmöglich.
Ich bin überzeugt: Als Unternehmer:innen tragen wir bereits alles in uns, was wir für unser persönliches Wachstum brauchen. Es muss nicht schwer und mühsam sein. Wir können es uns leichter machen und all unsere Stärken und Talente mit mehr Einfachheit in unser Leben einbringen.
»Slow Work« kann dich dabei unterstützen, den alltäglichen Druck und die dauerhafte Anstrengung loszulassen und zu mehr Gelassenheit zu finden. So kannst du dich wieder auf dich selbst und das Wesentliche zu konzentrieren: ein Leben und Arbeiten in gesunder Balance.
»Slow« steht für eine neue Geisteshaltung und eine entschleunigte Lebensweise, die Zeit und Freiraum für Selbstreflexion schafft und uns intensiv wahrnehmen lässt, was jetzt gerade – in diesem Moment – ist. Denn das Jetzt, das ist unsere Wirklichkeit.
Durch das »Slow«-Prinzip eröffnet sich ein Ausweg aus dem ewigen Hamsterrad – weg von Überforderung und einem Überlebensdenken, hin zu einem Möglichkeitsdenken und neuer Gelassenheit.
Indem wir unsere Arbeit mehr nach individuellen Werten ausrichten, rückt der Sinn unserer Tätigkeit wieder mehr in den Vordergrund.
Lasst uns für ein neues Arbeiten einen Schritt zurück machen: Was wir brauchen, ist »Slow Work«, statt New Work.
Zeit ist mehr als Geld und Leistung
Die Zeit ist an sich nur ein durch unsere Lebenszeit begrenztes Gut. Es hängt von unserem individuellen Zeitgefühl und der subjektiven Qualität unserer Tätigkeiten ab, wie wir Zeit wahrnehmen, bewerten und nutzen.
Als Pioniere eines entschleunigten Arbeitens müssen wir den Mut aufbringen, gegen den Strom zu schwimmen. Denn um in unserer Leistungsgesellschaft nach dem »Slow«-Prinzip arbeiten zu können, gilt es, bestehende Vorurteile abzubauen und soziale Hürden zu überwinden.
Zwar gehören wir »Slowpreneure« bislang noch einer Minderheit an, aber in Zukunft werden wir mit unserer neuen Denkweise anderen Unternehmer:innen einen Schritt voraus sein.
Denn »Slow Work« bewahrt uns langfristig vor Überforderung, Burnout und den erdrückenden Anforderungen unserer Leistungsgesellschaft. Wir lernen, Raum für uns zu schaffen und unsere Ressourcen achtsam zu nutzen, damit unsere Energiespeicher auch in Zukunft gut gefüllt sind.
So können wir die uns zur Verfügung stehende Zeit für das nutzen, was uns wirklich wichtig ist.
SLOWPRENEUR steht für ein achtsames Denken und Handeln und eine neue Wertschätzung von Zeit – denn Zeit ist mehr als Geld und Leistung: Zeit ist Selbstbestimmung. Zeit ist Freiheit. Zeit ist Leben. Zeit ist Jetzt.
◆